Der Menschenfeind

Komödie von Molière | Deutsch von Hans Magnus Enzensberger

Ein Mann mit Grundsätzen ist dieser Alceste. Ein Idealist, dem gesellschaftliche Heuchelei zuwider ist. Kompromiss- und gnadenlos konfrontiert er jeden mit seinen Anschauungen. Und schreckt dabei vor Beleidigungen nicht zurück. Wie ein Berserker pflügt er durch die Gesellschaft. Nur bei Célimène wird er schwach. Obwohl sie ein Flittchen ist, will er von ihr Besitz ergreifen. Allein diese Konstellation ist geeignet, die Lachmuskeln zu strapazieren. Doch der Humor des großen Molière ist niemals albern oder derb, sondern ausgesprochen feinsinnig. Und natürlich ein zeitlos-ironisches Abbild der menschlichen Gesellschaft. Wie schrieb der Übersetzer der Komödie so zutreffend: „Auf Schritt und Tritt begegneten mir in München, Hamburg, Düsseldorf, Reaktionen, Mechanismen, Verkehrsformen, die denen der Komödie bis ins Detail glichen. Ich entdeckte, dass die Party, die am Abend des 4. Juni 1666 auf der Bühne des Theaters vom Palais-Royal begann, immer noch andauert …“

Das Erthaltheater setzte das Stück mit folgender Besetzung um:

Besetzung:

Alceste: Steffen Rosenberger

Philinte: Simone Seebacher

Oronte & Polizeibeamter: André Fuhrmann

Célimène: Melanie Schmidt

Éliante: Solveig Schüssler

Arsinoé: Marie-Luise Birlenberg/Maristella Messere

Acaste: Wim Schrama

Clitandre: Markus Hartig

Regie/Bühne/Kostüme: Jürgen Overhoff
Video: Rene Fugger
Technik: Mila Korkin

Aufführungsrechte: Verlag der Autoren, Frankfurt am Main

Spaßbremse in kalter Plastik-Partywelt

Komödie: Das Aschaffenburger Erthaltheater versetzt Molières »Der Menschenfeind« in die Gegenwart

[…] Treffsicher eingefangen ist dieses Bauchgefühl in der neuen Produktion des Aschaffenburger Erthaltheaters, die Molières »Der Menschenfeind« in die Gegenwart versetzt. Wegen Corona durften nur 20 Zuschauer bei der Premiere am Donnerstag dabei sein. Sie konnten miterleben, dass der 350 Jahre alte Komödienstoff immer noch funktioniert. Ein miesepetriger Selbstgerechter – heute sagt man Spaßbremse – entlarvt gnadenlos alle Heuchler um sich herum und ist doch selbst einer. Regisseur Jürgen Overhoff und seine zum Großteil blutjunge Truppe siedeln das Stück um den so tragischen wie lächerlichen Helden Alceste in der aktuellen Party-Glitzer-Welt – vor Corona – an.

[…] Der 53-jährige Rosenberger ist die Idealbesetzung für den Menschenfeind, der im Originaltitel auch »der verliebte Melancholiker« heißt. Rosenberger lässt ihn beben vor Leidenschaft für die (selbst)gerechte Sache der kompromisslosen Ehrlichkeit.

[…] Etwas menschlicher gezeichnet hat Molière die Frauen um Alceste, von denen Célimène mit Abstand die Abgebrühteste ist. Dekorativ aalt sie sich auf der Chaiselonge und beantwortet WhatsApp-Nachrichten, unbeeindruckt von Alcestes Ermahnungen, das Spiel der Eitelkeiten nicht zu weit zu treiben.

So unbeschwert die Party-Jugend auch tanzt zur hübschen Choreografie von Melanie Schmidt: Unschuldig sind auch Célimènes Freundinnen Arsinoé und Éliante nicht. Arsinoé wurde bei der Premiere von Maristella Messere mitreißend lebendig dargestellt. Die 23-Jährige […] punktete vor allem als raffinierte Verführerin. […]

Melanie Pollinger, Main-Echo am 17.1.2022

Mike Lörler

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